Ich kann mich noch gut an meinen ersten Kuss erinnern, feucht, aufregend, mit einem deutlich älteren Burschen (3 Jahre) und im Rosenpark auf einer versteckten Parkbank. Meinem Teenager-Tagebuch zufolge war ich damals mit den Küsser-Qualitäten meines ersten Freundes durchaus zufrieden. Wie sich später herausstellte, war der rückblickend betrachtet ganz ok, aber längst nicht mit dem zu vergleichen, was ich noch etwas später erfahren durfte. Leider in beidseitiger Hinsicht, denn es sollten noch wesentlich schlechtere kommen, aber glücklicherweise auch rasant bessere Kuss-Erfahrungen.
Mal von meiner Schmuse-Vita abgesehen und aus dem fachlichen Nähkästchen geplaudert:
Küssen will gelernt oder zumindest geübt sein. Es gibt nachweislich verschiedene Küsser-Typen.
Da sind die einen, die ihre Zunge in erschreckendem Kurz-Intervall vor- und zurückstoßen lassen, sodass man sich des Gefühls nicht ganz erwehren kann, mit einem Presslufthammer zu schmusen.
Es gibt da aber auch die „Mund-Überstülper“. Das sind jene, die ihren Mund soweit aufbekommen, dass man beinah seine Nase im Rachenraum des anderen vorfindet, und kurz vor einer Apnoe-ähnlichen Ohnmacht steht.
Dann sind da die, die zwar ganz passabel küssen würden, aber sich leider so gar nicht um ihre Mundhygiene scheren, was meist in einem bösen Angriff auf die Geruchssensoren des Gegenübers endet.
Und dann gibt´s natürlich auch noch immer die chronischen Dauer-Sabberer. Bei ihnen muss man mit Schwimm-Reifen oder zumindest großem Durst zum Küssen antreten, weil sonst ertrinkt man entweder, oder man sabbert nach einiger Zeit einfach zurück – dann ertrinken mitunter schon mal beide. Nichts gegen feucht-fröhliche Küsser, aber wenn ein Normalo-Küssender mit einem Sabber-Küssenden zusammenkommt, dann schaffen die es selten bis zum Traualtar, aber meistens nicht mal bis in die Waagerechte.
Vergessen wollen wir auch nicht, die zahllosen Adoptiv-Söhne der Zahnärzte. – Oder zumindest vermutet man ein solches Schicksal bei jenen Küssern, die ihre Zunge mit ausladenden Dauer-Kreis-Bewegungen deinen gesamten Mundraum absuchen lassen. Meine Vermutung war immer, dass die einem geheimen Auftrag zur verdeckten Kariesbekämpfung nachgehen, oder aber Zahn-Zähl-Fetischisten sind.
Und last but befürchtungsweise not least: Der von der Mandel-Polizei. Diese Zunge ist nicht nur furchteinflößend groß, nein, sie ist auch so lang, dass sie selbst deine nicht mehr vorhandenen Mandeln kitzeln kann, während du dir redlich Mühe gibst, in eine Art erotische Stimmung zu kommen, weil die nämlich alle paar Sekunden verschwindet, da du mit dem immer wieder auftretenden Würgereiz und seiner Unterdrückung beschäftigt bist.
Aber genug von „wie man es nicht machen sollte“ und hin zu „wie es besonders schön sein kann“: Schon der Augenkontakt ist vor dem Küssen eine immens wichtige Komponente. Der Blickkontakt und der Wortwechsel unmittelbar vor dem Kuss, sind quasi das Vorspiel vor dem Vorspiel.
Wenn dann die Kuss-Anbahnung auch noch genussvoll, überlegt, souverän und sanft von Statten geht, dann ist eine besonders sinnliche Variante des Küssens bereits geglückt. Ein ganz kurzes Innehalten – so ein paar Millimeter vor dem gegenüberliegenden Lippenpaar – und das Prickeln kann zu einem Lava-prodelndem Geysir werden. Lasse nun alle voran beschriebenen Versuche weg, und du bist auf der sicheren Seite der Gewinner zu sehen.
Aber auch eine leidenschaftlich rasante Kuss-Anbahnung kann durchaus berauschend und fruchtbringend sein, solange man sich nicht gegenseitig die Zähne dabei ausschlägt. Plötzlich gepackt zu werden, und zwei Münder finden sich in der Hitze des Gefechtes, im Eifer der Begierde, und alles ist gut und willkommen. Da stört es mitunter auch nicht an eine Wand gedrückt zu werden, und quasi im Sturm der Leidenschaft ganz genommen zu werden.
Keine Frage, es gibt sicherlich unzählige Kuss-Anbahnungen die allesamt gut gelungen und höchst erfreulich sind. Doch eine möchte ich an dieser Stelle gesondert erwähnen: Die laszive Kuss-Anbahnung. Sie verdient es erwähnt zu werden, zumal sie sich auch herrlich für weiter fortgeschrittene Beziehungen immer wieder erneut eignet. Laszivität und das Spiel mit den Vorboten der Luststeigerung (also Küssen beispielsweise), hat so einen Hauch von Versprechen, findet häufig aber nicht zwingend in Kombination mit leichten Zärtlichkeiten ihren Ausdruck, und kann das Küssen auf eine außerordentlich genießerische und verspielte Weise ausdehnen.
Generell empfiehlt sich das Weiteratmen während des Küssens, denn das dramatische Wieder-Einatmen oder gar nach Luft schnappen, könnte beim Kuss-Partner falsche Eindrücke wecken, und das wollen wir nach soviel Hingabe und Mühe ja nun auch nicht riskieren.
Auch Ehrlichkeit macht sich beim Küssen durchaus bezahlt. Wenn Mann oder Frau den Eindruck hat, dass das Vis-a-Vis nur mäßig be-geistert oder sogar augenfällig ent-geistert ist, dann darf man ruhig mal nachfragen, ob alles im grünen Bereich ist, oder was vielleicht verbesserungswürdig scheint. Irgendwie müssen es ja schließlich auch die weniger begabten Küsser erfahren, dass sie auf der Kuss-Hit-Liste nicht mal ein passables Schlusslicht abgeben. So kann am Ende der Geschichte aus einem Sabber-Überstülper-Zahnarzt-Sohn-Küsser, doch noch eine echte Leuchte in Sachen Küssen hervortreten.
Und wie hat eine Klientin von mir mal so schön formuliert: „Wenn einer nicht gut küssen kann, dann ist klar, dass er bei sich Zuhause frühstückt.“
In diesem Sinne, viel Spaß beim Schmusen!
Herzlichst, Eure Claudia Lang