In meiner Arbeit mit Klienten muss ich oft lachen wenn ich mit ihnen in ihre Familienhistorie hineinarbeite, und dabei die Frage aufkommt: „Warum haben Deine Eltern geheiratet?“
Die einen schauen mich in einer Mischung aus Erstaunen und Entsetzen fragend an, um dann schließlich ganz verdutzt zu antworten: „Na aus Liebe!“, als ob das die einzige Möglichkeit wäre, warum zwei Menschen sich das Ja-Wort geben können.
Die anderen versinken erst mal in ein nachdenkliches Schweigen, und danach ist so ziemlich alles zu erwarten. Von: „Pfff, keine Ahnung – hab ich mich auch schon oft gefragt!“, über: „Ich glaub weil die Mama mit mir schwanger war!“ oder in Abwandlung auch mal: „Na weil ich unterwegs war (logisch!)“, bis hin zu: „Weil der Opa das gesagt hat, und weil die beiden Bauernhöfe die größten im Ort waren“, …ist so ziemlich alles dabei.
Eines der vielen Privilegien unserer Zeit und unserer kulturellen Entwicklung in unseren Breiten ist mit Sicherheit, die freie Wahl zu haben, ob und wen man heiraten möchte. Und dennoch entpuppt sich für viele die den Bund fürs Leben wählen, selbige Entscheidung oft nur wenig später als der berühmte Griff ins Klo. Gefolgt von Anwaltskosten, Streitereien um Sorge-Rechte und Hausrat, bis hin zu Alimente- und Unterhaltsforderungen ist zum Abschied alles möglich. – Wenn auch nicht zwingend nötig. Auch überaus friedvolle Trennungen sind mit von der Partie.
In Luxemburg beispielsweise liegt die Scheidungsrate angeblich bei 87%, was nahe legen würde, bereits bei der Trauung Geld für den Scheidungsanwalt zur Seite zu legen. Zwischen knapp 40 und 60% liegt die Zahl in anderen europäischen Ländern. Auch in Österreich kratzen wir das eine oder andere Jahr an der 40%-Marke, und liegen damit im guten europäischen Mittelfeld, wenn man den Statistiken glauben möchte. – Und warum sollten wir ihnen nicht glauben, sind doch diese Zahlen und Fakten leicht zu erschließen.
Weniger leicht festzustellen ist dagegen, warum es zu diesen Scheidungen kam – oder sollte man nicht vielleicht fragen: Warum haben die überhaupt geheiratet?! Und soll man heutzutage überhaupt noch heiraten?! – Wo es doch die Frauen dank ihrer Emanzipation längst nicht mehr nötig haben, aus Versorgungsgründen im Hafen der Ehe einzulaufen, und Männer dank Fastfood-Ketten & Co. auch längst keine Haushälterin mehr an die eheliche Küchen-Fußfessel legen müssen. Aber mal ganz im Ernst: Was bringt Menschen auch heute noch dazu, auf einen wie immer gearteten Altar zu zuschreiten, und vor aller Welt oder wenigstens den nächsten Verwandten laut das JA-Wort zu verkünden?
Während anno dazumal die Ehe in erster Linie eine Versorgungsgemeinschaft war, ist das mit großer Wahrscheinlichkeit, und hoffentlich, nicht mehr der vorherrschende Grund. Stellt sich also die Frage: Was ist es dann?
Mit Heiraten wird immer noch ein romantischer Gedanke verbunden, eine Vertiefung der bestehenden Liebesbeziehung angestrebt, ein familiärer Rahmen für Nachwuchs geschaffen, aber auch eine emotionale Verbindlichkeit und Verantwortung für diesen einen bestimmten Menschen eingegangen. – Ohne Hintertürchen! Es ist unser einzig real verbliebenes Märchen, an das doch noch einige von uns glauben mögen, eben ihr ganz persönliches „…und sie lebten glücklich bis an ihr seliges Ende!“
Die Heiratsmuffel unter uns werden nun einwenden: „Ja aber das kann man ja auch alles ohne Trauschein! – und Märchen sind eben halt nur Märchen.“, und sie haben damit nicht ganz unrecht. Und dennoch ist an dem ganzen rechtlichen, zeremoniellen und festlichen Drumherum noch was anderes dran. Wir brauchen natürlich keinen Trauschein um jemanden aufrichtig zu lieben, aber eben so gut könnte man fragen: Wieso darf es dann keinen Trauschein geben, wo wir doch lieben!???
Fest steht, dass dieser Zettel doch irgendetwas mit uns macht, und dadurch auch eine gewisse Bedeutung hat. Und auch wenn ein Trauschein mit Sicherheit kein Garantie-Schein für das Gelingen einer Ehe ist, so ist er doch mehr als die ständig offene Hintertür, durch die mit der Zeit in einer Langzeitbeziehung das eine oder andere zugige Lüftchen weht, bis es einen von beiden schließlich davon geweht hat. Die zwar niemals ausgesprochene, aber doch indirekt gesendete Botschaft von „Vielleicht läuft mir ja noch was Besseres als du über den Weg…“, hinterlässt durchaus ihre unerwünschten Spuren in der einen oder anderen Beziehungshälfte.
Heiraten kann nämlich auch viel Gutes bedeuten. Sich zueinander bekennen, nämlich rechtlich, gesellschaftlich, öffentlich, spirituell und vor dem großen Ganzen. Sich ein Versprechen zu geben, welches, wenn es inhaltlich wohlüberlegt formuliert und gegeben wird, durchaus den Bindungsgrad einer Liebesbeziehung verstärken kann. Sich mit diesem Ritual gemeinsam auf einen Weg zu machen, der im Herzen beginnt und im Leben seine Verwirklichung findet. Es bedeutet aber auch, dem anderen zu vergewissern, dass er genau der Mensch ist, mit dem man sich die große Strecke nicht nur vorstellen kann, sondern sogar wünscht. Und bei dem es einem nicht den Angstschweiß auf die Stirn treibt, wenn diese Person tatsächlich die letzte wäre, mit der man in diesem Leben Sex haben wird. Es ist die Aussage: „Mit dir will ich alles, das Ganze und nicht nur ein Bisschen!“ Und ja, es sollte auch heißen: „Wenn ich vor dir diese Welt verlasse, dann möchte ich, dass es deine Hand ist, die meine zum Abschied hält. Und wenn du vor mir diese Welt verlässt, dann will ich es sein, der die deine zum Abschied gehalten hat.“
Dabei ist es nicht wichtig, wer welchen oder ob überhaupt jemandes Nachnamen annimmt, sondern, dass man möglichst jeden Tag nebeneinander aufwachen möchte, und jeden Abend nebeneinander einschlafen will. Dass man einander so Banalitäten erzählen kann, wie beispielsweise: „Sie mal, meine Schuhe haben Risse!“, oder die Frage stellen kann: „Was wollen wir heute zu Abend essen?“. Und ja, auch das kann man alles ohne Trauschein. Aber das Gefühl dieses einen Tages, wo man voreinander stand und sich anblickte, um dann voll und ganz aus dem Moment des Herzens heraus, JA zu diesem einen Menschen gesagt zu haben, kann kein Teil der eigenen Erinnerung sein, wenn er niemals stattgefunden hat. Außerdem ist dieses eine kleine Wort auf emotionaler Ebene soviel mehr… nämlich voll und ganz angenommen zu sein von diesem einen Menschen. Ein Gefühl von „auserwählt“ sein, da hat jemand einfach JA zu DIR gesagt, und meint dich so wie du bist (vorausgesetzt du hast ihm/ihr nichts vorgemacht).
Leider ist dieses kleine Wort aber auch für viele noch immer mit einem Wagnis, einem Risiko oder sogar einer Gefahr verbunden. – Und das sollte es doch wahrlich nicht sein. Der Gefahr verletzt und enttäuscht zu werden, dem Risiko ausgenützt und ausgebeutet zu werden, und das Wagnis einem Menschen so sehr zu vertrauen, dass man vielleicht blind Dinge zulässt oder macht, die man unverliebt nie hätte machen wollen.
Aber zurück zu den Gründen warum schon geheiratet wurde: Geldgier, sozialer oder gesellschaftlicher Aufstieg, Machthunger, Versorgungshintergedanke, Pensionsanspruch, Familienzugehörigkeit, Einsamkeitsflucht, Flucht vorm schrecklichen Elternhaus, weil es von jemandem/allen erwartet wird, weil es sich so gehört, Schwangerschaft, Erlangung einer bestimmten Staatsbürgerschaft, Kinderwunsch, Mitleid, Torschlusspanik, Eifersucht, um Kriege zu verhindern, Länder zu vereinigen, Imperien oder Firmen zu fusionieren, aus Missgunst oder Trotz und Rache, überhöhtem Alkoholkonsum, … und sogar aus Langeweile.
Zum Glück kann man auch einfach nur aus purer Liebe und Romantik heiraten. Weil man diese überbordende Liebe zu diesem einen speziellen Menschen unbedingt ganz groß oder auch etwas kleiner zelebrieren und vor Zeugen raus schreien möchte. Weil einem das Bekenntnis zu diesem Menschen ein Anliegen ist, und weil man ihn auf ALLEN Ebenen (gesetzlich, gesellschaftlich, persönlich, spirituell, materiell und emotional) an die erste Stelle setzen möchte.
Da im Moment eines Heiratsantrages aber durchaus widerstreitende Gefühle, Regungen und Gedanken auftauchen können, wäre es ratsam, diesen inneren Stimmen ihren nötigen Raum, und sich die erforderliche Zeit zu geben, um selber Klarheit darüber zu bekommen, was man tatsächlich will und meint. Anträge vor Publikum sind für manche Menschen überaus romantisch. Doch man bedenke dabei auch, dass das den anderen schon einem gewissen Druck aussetzt. Und wenn dann der Gefragte auch noch den Mumm aufbringt, ehrlicherweise NEIN zu sagen – vor versammelter Mannschaft versteht sich! – dann kann das plötzlich auch ganz schön deprimierend für den Antragsteller werden! Der unmittelbar darauf folgende Vollrausch wäre damit ebenso vorprogrammiert, wie meistens das abrupte und totale Beziehungs-Aus. Trotz allem ist das ehrliche NEIN, immer noch für beide Seiten die bessere Lösung. Denn ein unehrliches JA an der falschen Stelle, zieht mit höchster Wahrscheinlichkeit Jahre und Jahrzehnte von Unglück und Leid nach sich – und zwar für beide. Dagegen hat der Heiratsantrag unter vier Augen den Vorteil, dass die Schmach nicht ganz so üppig ausfällt im Falle eines Nein´s, und im Falle eines glatten Ja´s, kann man diese Übereinkunft unmittelbar körperlich besiegeln, ohne andere Leute vor den Kopf zu stoßen.
Fakt ist: Wer nicht aus vollem Herzen und aus purer Liebe ein Ja-Wort verschenkt, der hat nicht nur sein eigenes Gewissen hochgradig belastet, und das wird seine Folgen nach sich ziehen, sondern der hat sich an einem anderen Menschen und dessen Herz schuldig gemacht. Ganz zu schweigen davon, dass man seine eigenen Lebensjahre ebenfalls in Lüge, Würdelosigkeit und charakterlicher Verdunkelung verbringt.
Eine Klientin erzählte mir mal, sie hätte ihren Mann eigentlich nur geheiratet, weil der so hartnäckig an ihr dran geblieben ist, und nachdem nichts Besseres am Horizont zu sehen war, sagte sie schließlich ja. „Ich weiß, dass er mich immer mehr geliebt hat als ich ihn, und ich weiß nicht so recht, ob ich ihn überhaupt je wirklich geliebt habe, aber das war halt damals so!“ Nicht verwunderlich, dass das gesamte Leben dieser Dame in all seinen großen und kleinen Momenten für sie immer nur lauwarm oder gar wie kalter Kaffee daher kam. Das entspricht nämlich genau der Qualität wie sie die Einflugschneise in ihre Ehe genommen hatte. Die Haltung mit der man eine Ehe oder auch Paarbeziehung beginnt, bestimmt letztlich auch die Grundqualität in dieser Verbindung. Eine Ehe ist gewissermaßen wie ein Koch-Rezept: Man selber ist die eine Zutat, der andere ist die andere Zutat, und dann können beide noch ihre Gewürze im Laufe der Zeit hinzufügen. Und am Ende kommt vielleicht ein saftig-pikantes Gericht heraus, oder aber auch nur eine lauwarme Brühe.
Ein Mann kam mal zu mir in die Beratung und meinte: „Als ich meine Frau geheiratet habe, da war sie so lustig, dynamisch und quirlig, und heute ist sie ständig müde und für kaum etwas zu begeistern. Ich hab sie mir ja schließlich ausgesucht, weil ich weiß, (und das hat meine Mutter auch gemeint), dass ich jemanden brauche, der mir Zunder unter dem Hintern macht, und jetzt muss ich das bei ihr tun…was ist denn da schief gelaufen?“ Nun, ich würde sagen, der gute Mann hat die Rechnung ohne die Wirtin gemacht. Wenn man sich eine/n PartnerIn für eine bestimmte Aufgabe oder Funktion erwählt, dann darf man sich nicht wundern, wenn genau diese Aufgabe oder Funktion in Kürze flöten geht. Schließlich will niemand aus funktionalen Gründen geheiratet werden, man ist ja kein Kartoffelschäler oder Schraubenschlüssel! Und, dass da auch noch seine Mami die Finger mit im Spiel hatte, die ihr Bubi gut versorgt und aufgehoben wissen wollte, hat die Sache auch nicht gerade sexy-er gemacht!
Ein lieber Freund von mir hatte mich mal vor vielen Jahren gebeten, ob ich für ihn die Trauzeugin machen würde, weil er gedenkt seine neue Flamme zu ehelichen. Wir (Freundeskreis) hatten diese Person alle schon mal kennengelernt und hatten allesamt den gleichen Eindruck von ihr. Das war wohl auch für seine Eltern der Grund, warum sie die Teilnahme an seiner Hochzeit verweigerten, und somit auch die Trau-Zeugenschaft um die er sie ursprünglich gebeten hatte. Ein Blinder mit Krückstock hätte sehen können, dass diese Frau einzig und allein darauf aus war, an Walter´s Geld und sozialen Status heranzukommen. Sie bediente dabei jene verzichtbare Klischee-Mischung, wo es allen die es Walter gut meinten, die Nackenhaare aufstellte: Aus dem ehemaligen Ostblock stammend, vormals im einschlägigen Milieu unterwegs, inklusive Handtaschen-Hündchen und aufgespritzter Oberlippe zog sie sich also unseren guten Freund Walter ehelich ein. Warum ich ihm den Trauzeugen machte? Weil ich denke, dass es ihm sowieso keiner hätte ausreden können, …und das weiß ich so genau, weil auch ich es nach Kräften versucht hatte, und ich bin weiß Gott rhetorisch nicht gerade untalentiert! Aber in seinen Augen waren nur fliegende Herzen zu sehen, und nachdem ich als gute Freundin meine Pflicht in Sachen „aufrichtige Warnung“ getan hatte, sagte ich ihm zu. Irgendwie schien er es ohnehin zu wissen, denn er meinte kurz davor noch zu mir: „Weißt du, ich weiß genau was alle denken, aber ich muss es einfach versuchen und mir und ihr die Chance geben, dass es doch anders kommen kann.“ Es kam wie es kommen musste: Kein Jahr später war die gute Dame mit all seinen Wertsachen verschwunden und selbstverständlich nahm der Sex unmittelbar nach der Trauung rapide ab. Sie reichte von weit-weit-weg die Scheidung ein, nicht ohne den Versuch auf Unterhalt zu klagen, was glücklicherweise ordentlich daneben ging. Walter war zwar ein paar Dinge und Scheine ärmer, aber auch eine Erfahrung reicher, und heute ist er inzwischen mit einer ausgesprochen entzückenden und liebevollen Frau verheiratet – ja verheiratet – die ihn sprichwörtlich vergöttert und liebt. Ironie des Schicksals, es war seine frisch zugezogene Nachbarin, mit der es augenblicklich gefunkt hat, als sie ihm die vom Briefträger vertauschte Post brachte. – Die Post bringt ja bekanntlich allen was, und in seltenen Fällen sogar die neue Liebe.
FAZIT: Wie heißt es doch so schön: „Drum prüfe wer sich ewig bindet!“ Ich finde ja, nicht das Heiraten an sich gehört hinterfragt, und nicht der Partner oder die Partnerin gehört mit Argus-Augen observiert und getestet, sondern mitunter sollten vorab die eigenen Beweggründe von jedem selbst ehrlichen Herzens hinterfragt und geprüft werden.
Warum gehst DU mit diesem Menschen eine Ehe ein? WARUM willst DU mit diesem Menschen den Alltag, die Sorgen und Freuden des Lebens im Rahmen einer Ehe teilen? Was findest DU an diesem Menschen? Und vor allem: Welche bewussten oder auch möglicherweise unbewussten Vorteilsberechnungen spielen bei DEINEM Heiratswunsch oder Antrag eine geheime Rolle? Was versprichst DU dir von dem berühmten JA der Menschheit? Meinst du wirklich deinen Partner, oder doch eher gewisse Eigenschaften und Annehmlichkeiten?
Meine Empfehlung lautet daher: „Prüfe DEINE Beweggründe warum du JA-sagen willst! – Wenn das alle mehr und aufrichtiger machen würden, kämen zwar einige Ehen vermutlich gar nicht erst zustande, aber die Scheidungen und den ganzen Kummer dazu würde man sich auch ersparen. Dafür würden die Ehen die auf dieser Basis geschlossen werden, auf einem solideren und vor allem ehrlicheren Fundament starten, und der Rest steht ohnehin für alle in den Sternen…!
ERGO: Heirate ausschließlich wen du wirklich und aufrichtig liebst, und sei dir und dem anderen Gegenüber so ehrlich, wenn er oder sie es nicht für dich ist, sage NEIN und lasse los. Anderenfalls stehst du allem voran deinem eigenen Glück im Wege!
Herzlichst, Deine Claudia Lang